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Geschlechtsbestimmung

Das Geschlecht eines Meerschweinchens ist schon ab dem Tag der Geburt bestimmbar. Allerdings ist bei Neugeborenen ein geübtes Auge nötig. Spätestens ab einem Alter von 3-4 Wochen sollte dem Besitzer klar sein, welches Geschlecht das Jungmeerschwein hat, da Frühentwickler zu diesem Zeitpunkt schon geschlechtsreif werden können.
Auch bei Neuerwerb eines Meerschweinchens ist es ratsam, das Geschlecht des Tieres selber noch einmal zu überprüfen. Nur zu oft werden gleichermaßen von Zoofachhandlungen sowie von Privat aus Unwissenheit Männchen als Weibchen und Weibchen als Männchen abgeben. Dies führt nur zu leicht zu Überraschungen in Form von unerwarteten Nachwuchs oder gar Komplikationen während Trächtigkeit und Geburt, sowie tot geborenen oder missgebildeten Nachwuchs.

Ist Nachwuchs gewünscht, empfiehlt es sich dringend, sich vorher ausführlich über Zuchtalter, -tauglichkeit und genetische Problematiken (Dalmatiner/Schimmel, Satin) kundig zu machen. Ebenso ist vorher zu klären, was mit den Jungtieren geschehen soll. Abgeben in Zoofachhandlungen, Tierheim oder über Anschläge im Supermarkt sind nicht unbedingt die besten Lösungen. Oft müssen die Jungtiere noch einige Wochen oder Monate versorgt werden, bis sich ein geeigneter Abnehmer findet. Sind Zeit, Platz, Geld sowie der Wille dafür vorhanden? Haushaltskasse/Taschengeld lassen sich durch Zucht und Verkauf bei tiergerechter Pflege nicht auffrischen.

Männchen/Bock:

männliches Meerschweinchen, unkastriert
männliches Meerschweinchen, kastriert
Entwicklung des Geschlechtsfeldes beim männlichen Meerschweinchen

In entspannter Verfassung sind bei geschlechtsreifen Böcken die Hoden in der Regel gut sichtbar (siehe 1. Beitragsbild). Unter Stress, wie z.B. durch Festhalten, Krankheit o.ä. können sie zurückgezogen werden. Also nicht täuschen lassen. Sofern nicht anderes vermerkt zeigen die Bilder unkastrierte Böcke.
Die Hoden sind nicht von Geburt an sichtbar, sie befinden sich zunächst noch im Bauchraum. Sie steigen in der Regel in einem Alter von 6 – 8 Wochen ab.
Der Penis liegt normalerweise zurückgezogen knapp unter der Bauchdecke, zwischen sichtbarem Geschlechtsfeld und Bauchnabel. Er ist in der Regel leicht in Form einen Stäbchens (Penisknochen) durch die Haut hindurch ertastbar.
Im Geschlechtsfeld sind lediglich die Vorhaut in Form einen exponierten Knopfes sowie die Mündung der Perinealtasche sichtbar. Bei leichtem Druck auf den Unterbauch tritt bei geschlechtsreifen Tieren der Penis hervor. Die Mündung der Harnröhre ist rund (beim Weibchen strichförmig). Der After liegt in der Hautfalte der Perinealtasche verborgen.

Zitzen weisen Weibchen wie Männchen auf. Sie können daher nicht zur Geschlechtsbestimmung herangezogen werden. Meerschweinchen haben  lediglich 1 Paar Zitzen . Sie befinden sich in etwa auf Kniehöhe.

Weibchen/Sau:

weibliches Meerschweinchen

Im Geschlechtsfeld des Weibchens ist ein wesentlich kleinerer, weit weniger exponierter Hautzipfel sowie die Mündung der Perinealtasche zu erkennen. After und Mündung des Geburtskanals liegen in der Hautfalte der Perinealtasche verborgen. Bei leichtem Druck auf den Unterbauch tritt der Bereich etwas hervor. Die Mündung der Harnröhre ist beim Weibchen strichförmig (beim Bock rund).

Auf diesem Wege nochmal vielen Dank an Nicole Kuhne (Cavialand.de), für die Präsentation und Bereitstellen der kleinen Kerlchen für diesen Beitrag.

Perinealtasche

  • Der Lageplan

    Eine Frage, die man häufig hört: „Wo ist denn nun eigentlich diese Perinealtasche?“ Hier ist der Lageplan!
    Meist wird die Öffnung mit dem After verwechselt, welcher jedoch zunächst in die Perinealtasche mündet. In der Perinealtasche sind zwei Drüsen verborgen, die ein weiß bis gelbliches, sehr fettiges, intensiv duftendes Sekret produzieren. Dieses Sekret dient der innerartlichen Kommunikation. Untergründe werden damit markiert in dem das Tier den Po auf den Boden drückt und ein kleines Stück nach vorne rutscht. Dieses Verhalten zeigen beide Geschlechter, dies ist jedoch bei unkastrierten Böcken wesentlich  häufiger zu beobachten als bei Kastraten und Weibchen.
    Die Perinealtasche ist bei unkastrierten sowie erst im Erwachsenenalter (> 1 1/2 Jahre) kastrierten Böcken wesentlich deutlicher ausgeprägt. Bei Weibchen und jung kastrierten Böcken sitzt die Haut der Tasche wesentlich straffer, die Tasche entsprechend kleiner.
    Durch das Markierverhalten (Po-Rutschen) kann sich einiges an Streu, Erde oder Haare in der Tasche ansammeln und durch das Sekret zu einen festen Klumpen verkleben. Daher ist es notwendig, hin und wieder einen kritischen Blick auf und in die Tasche zu werfen und – wenn nötig –  zu säubern. Ohrenstäbchen und Babyöl leisten gute Dienste.
     
  • Einblick

    Um Duftstoffe abzugeben (beim „Brommseln“ sowie Markieren) wird die äußere Hautfalte der Tasche zur Seite gezogen und die Perinealdrüsen frei gelegt.
     
  • in Aktion

    Emili und Don Pedro können euch noch ein wenig mehr von der Perinealtasche und deren Funktionsweise erzählen bzw. zeigen.

Füße, Krallen, Zehen


Meerschweinchen weisen normalerweise an den Vorderfüßen 3 Zehen, an den Hinterfüßen 3 Zehen auf.
Die Krallen der Hinterfüße sind von Natur aus wesentlich länger als die der Vorderzehen. Dies ist bei der Krallenpflege zu beachten! Bei hellen Krallen sind die Blutgefäße meist gut zu erkennen, bei schwarzen Krallen ist etwas Erfahrung notwendig, um beim Krallenschneiden nicht zu tief zu schneiden. Solche Wunden können stark bluten
An der Innenseite des Vorderbeins etwas oberhalb des Handgelenks befindet sich ein haarloser Bereich (s.o., rechte Abbildung).
Die Fußsohle des Meerschweinchens ist  vollkommen unbehaart.

gesund:

Krallen und Zehen sind gerade, nicht verdickt. Die Krallenspitzen enden max. 3 mm nach dem „Leben“ (durchbluteter, mit Nerven versehender Bereich der Kralle). Die Fußsohlen sind rosig.
Krallen und Zehen werden mit fortgeschrittenen Alter häufig dicker, teils auch krumm. Tiere mit viel Bewegungsfreiheit auf Naturboden (Freigehege) haben zumeist gesündere, „jüngere“ Zehen und Krallen als Tiere aus Haltung auf Kunstboden.

verändert:


überzählige Zehe/Zehen:

Ab und an treten überzählige Zehen auf. Hierbei handelt sich es sich um keine krankhafte Veränderung, sondern lediglich um eine Laune der Natur, einen Atavismus. Oft sind solche, vereinzelt auftretenden zusätzlichen Zehen nur über einen durchbluteten Hautstrang mit dem Fuß verbunden, solche sind nicht funktionsfähig und hängen lose am Fuß (rechte Abbildung).
Es kommt jedoch ebenfalls vor, dass an allen Füssen vollständig ausgebildete und voll funktionsfähige, zusätzliche Zehen ausgebildet sind. Häufiger tritt dieses Phänomen beim Cuy (großwüchsige Zuchtform des Meerschweinchens), etwas seltener beim normalen Hausmeerschweinchen auf.
Zehen krumm und/oder verdickt: Verletzung, Pilzbefall, mangelnde Krallenpflege
Krallen zu lang, eingedreht: mangelnde Krallenpflege
Krallen verdickt: Folge einer Verletzung, Pilzbefall
Fußsohlen stark gerötet bis wund: kann auf Haltungs- (feuchter, schmutziger Untergrund) und/oder Ernährungsfehler (zu kalorien-/zuckerreich) hindeuten, Verletzungen

Pflegeutensilien:
Krallenschere für Kleintiere


Zähne

Bei Auftreten von gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Tieres stets den Tierarzt aufsuchen.

Das Gebiss:

Meerschweinchen werden mit dem vollständigem Erwachsenen-Gebiss geboren. Der Zahnwechsel erfolgt schon Mutterleib.
Das Gebiss eines Meerschweinchens setzt sich aus insgesamt 16 Zähnen zusammen. Auf jedem Kieferast, sowohl des Ober- als auch Unterkiefers, befinden sich je 3 Backenzähne (Molaren) und je ein Schneidezahn (Incisiv), dazwischen befindet sich eine Zahnlücke (Diastema). Die Zähne bilden keine Wurzeln aus, wodurch die Zähne ein Meerschweinchen-Leben lang wachsen. Beständiger Abrieb der Zahnflächen durch Kauen und Nagen artgerechter Nahrung sorgt für die richtige Zahnlänge und Gebissstellung.

Die unteren Schneidezähne sind in der Regel etwas länger als die oberen. Die oberen Schneidezähnen greifen über die unteren. Die Backenzahnreihe des Unterkiefers ist leicht nach innen, Richtung Zunge geneigt, die Zahnreihe des Oberkiefers entsprechend nach außen, Richtung Wange.

Mangelnder Abrieb der Zähne äußert sich in Zahnspitzen auf den Kauflächen und Fehlstellungen der Zähne an sich:

  • obere Schneidezähne: rollen sich nach innen
  • untere Schneidezähne wachsen rel. gerade weiter und beginnen die oberen Schneidzähne zu überlappen
  • Backenzähne des Oberkiefers: bedingt durch die Neigung des Kiefers bohren sie sich in die Wange
  • Backenzähne des Unterkiefers: wachsen bedingt durch die Kiefers Richtung Mundraum und bilden mit der Zeit ein Brücke über der Zunge

Schneidezähne:
 
gesund:

Ohne Hilfe des Tierarztes kann der Tierhalter leider nur die Beschaffenheit der Schneidezähne überprüfen. Die weit hinten liegenden Backenzähne werden auch bei geöffnetem Mäulchen durch eine Hautfalte der Wange verdeckt.

Die Schneidezähne sind weiß, die Schnittkante bildet  frontal gesehen eine gerade Linie. Der sichtbare Bereich des unteren Schneidezahn-Paares ist etwa doppelt so lange wie der des oberen Paares.
Von der Seite betrachtet greift das untere Schneidezahnpaar hinter dem oberen. In Ruhestellung berühren sich die Zahnpaare nicht. Die Schnittkanten bilden einen schmalen, scharfen Grat.

Veränderungen an den Schneidezähnen:

Verfärbung:

Durch festsitzenden Schmutz bzw. mangelnde Abnutzung durch Fehlbiss (siehe unten).

Fehlabnutzung:

Die Schnittkante  der Schneidezähne verläuft (frontal gesehen) nicht in gerader Linie.
Dies ist ein deutlicher Hinweis auf eine Fehlbelastung beim Kauvorgang. Oft deutet dies darauf hin, dass mit den Backenzähnen etwas nicht in Ordnung ist. Ein Grund die Zähne baldigst von einem Tierarzt kontrollieren zu lassen!

fehlender Schneidezahn:

Zumeist auf Bruch zurückzuführen, seltener genetisch bedingt.
Zahnbruch kann verschiedene Ursachen haben: Stoß-  oder Fallverletzung, entzündliche Vorgänge im Kiefer, Tumore, Vitamin- oder Mineralmangel (Fehlernährung, auffällig häufig heranwachsende Jungtiere betroffen)
Ausgeschlagene Zähne wachsen in der Regel problemlos wieder nach. Ebenso lassen sich ernährungbedingte Zahnverluste durch korrigiertes Futterangebot korrigieren, sofern beizeiten eingegriffen wird.
Bei entzündlichen, tumorösen Vorgängen im Kiefer ist der Verlust der Schneidezähne das geringste Problem, da solche Erkrankungen oft langwierig und mit schlechten Heilungsaussichten verbunden sind.

übermäßiges Längenwachstum der Schneidezähne:
Z.B. bedingt durch Brücken-/Spitzenbildung an den Backenzähnen oder durch Verlust eines oder mehrere Schneidezähne.
Ursachen für Brückenbildungen an den Backenzähnen sind meist Fehlernährung und Verletzungen im Mäulchen. Verletzungen führen wiederum oft zu Abszeßbildungen am Kiefer.
Abgebrochene Schneidezähne haben oft ihre Ursache in einem Unfall (irgendwo dagegen gerannt, runtergefallen). In der Regel wachsen die Zähne problemlos nach, manchmal aber auch nicht. Entzündungen im Zahnfach (z.B. durch eingespießtem Fremdkörper) können ebenfalls zu Zahnverlust führen. Der betroffene Zahn wächst dann oft dicker, krumm und nicht so funktionell nach. Hier muß weiterhin auf korrekte Zahnabnutzung geachtet werden. Gegebenfalls muß der Tierarzt regelmäßig einkürzen.


anatomischer Vergleich:
Schneidezähne von Meerschweinchen / Feldhase


Oft hört man von sog. „Stiftzähnen“, die auch beim Meerschweinchen hinter den oberen Schneidezähnen zu finden sein sollen.
Stiftzähne sind jedoch ein typisches Merkmal der „Hasenartigen“ (Lagomorpha)  wie z.B. Kaninchen und Hasen. Meerschweinchen hingegen sind mit den Hasenartigen nicht weiter verwandt. Sie werden (noch) zu den Nagetieren (Rodentia) gezählt.
Wenn man sich die oberen Schneidezähne des Meerschweinchens ansieht, könnte jedoch tatsächlich der Eindruck entstehen, es wären hinter den Schneidezähnen noch ein paar kleinere Zähne vorhanden. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Deutlich wird es spätestens, wenn man den gesamten Schneidezahn betrachtet.

Hier im Vergleich der Oberkiefer eines Feldhasen (sieht beim Kaninchen genauso aus).
Deutlich sind die zwei kleinen Stiftzähnchen hinter den Schneidezähnen zu sehen: